1

Blühstreifen in der MAZ

Die Saat geht langsam auf: Stefan Hoy, Jürgen Frenzel, Kerstin und Lutz Pahl (v.l.) an einer Fläche bei Buchholz, die bald blühen wird.

Quelle: Jens Steglich

Veröffentlicht MAZ Online: Dienstag, 23.05.2017 20:11 Uhr Aktualisiert: Mittwoch, 24.05.2017 11:07 Uhr

Verein schafft blühende Landschaften

 

Ein Beelitzer Verein, der im Ortsteil Buchholz aus der Taufe gehoben wurde, will mitten im Spargelland blühende Oasen schaffen und damit Lebensraum für Bienen, Schmetterlinge, Hummeln und CO. Zwei Landwirtschaftsbetriebe ziehen auch mit und haben zwölf Hektar für wilde Blühwiesen zur Verfügung gestellt. Motto: „Wir tun etwas für Bienen!

Beelitz.  „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“ Das hat Albert Einstein gesagt. Wenn der Erfinder der Relativitätstheorie Recht hat, sind wir nicht mehr weit vom Abgrund entfernt.

Die Mitstreiter des Vereins „Blühstreifen Beelitz“ würden die Lage wohl nicht im Weltuntergangston beschreiben. Dass es Zeit ist, Alarm zu schlagen und einiges anders zu machen, finden sie schon. Kerstin und Lutz Pahl aus dem Beelitzer Ortsteil Buchholz haben deshalb eine sehr lebensbejahende Initiative ins Leben gerufen und machen sich ohne Schuldzuweisungen gerade an die Arbeit, neuen Lebensraum für Bienen, Schmetterlinge, Hummeln und Co. zu schaffen. Mitten im Spargelland, in dem im Frühjahr weite Flächen mit Folien überzogen werden, entstehen wilde Oasen für jene kleinen Tiere, die leicht übersehen werden, aber enorm wichtig sind.

Als Blütenbestäuber der Pflanzen sorgen sie für einen gedeckten Tisch auf dieser Welt. Sie selbst aber finden immer weniger Nahrung, weil der Mensch seine Landwirtschaftsflächen so sauber hält, dass Bienen und Insekten nicht mehr ausreichend Blüten finden. Feldraine, Wildblumenwiesen und Heckenstreifen sind oft der optimalen Ausnutzung des Ackers zum Opfer gefallen. Das ist eine von mehreren Ursachen für diesen Befund: „Deutschlandweit sind fast die Hälfte der Insekten bestandsgefährdet, extrem selten oder bereits ausgestorben. Die Insektenmasse ist seit den 1980er Jahren in Teilen Deutschlands um 80 Prozent zurückgegangen“, so Kerstin Pahl, die seit 30 Jahren im Naturschutz tätig ist und in der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Teltow-Fläming gearbeitet hat. Dass die Zahlen aus einer Langzeitstudie Krefelder Entomologen keine Erfindung sind, zeigen die Autoscheiben nach einer Tour an wärmeren Tagen. Früher wäre die Frontscheibe mit Insektenkörpern übersät gewesen.

Die für alle überlebenswichtige Bestäubungsleistung besorgen übrigens zu 90 Prozent Wildbienen und Insekten, zu fünf Prozent die Honigbiene. Den Rest erledigt der Wind. „Die Natur hat es ursprünglich schon so eingerichtet, dass der Tisch für Insekten bis in den späten Herbst gedeckt ist“, sagt Kerstin Pahl. Der Verein, der gerade in Gründung ist, will mit seinen Mitstreitern und Partnern das Nahrungsangebot für die Kleinwesen wieder vergrößern und kann nach kurzer Zeit bemerkenswerte Erfolge aufweisen. Die Saat für Blühwiesen ist bereits auf 12,6 Hektar eingebracht. Für ihr Projekt konnten die Initiatoren auch zwei Landwirte und die Stadt Beelitz gewinnen, die für den Ankauf von Saatgut 3000 Euro Anschubfinanzierung gab. Die Agrar KG Wittbrietzen stellte eigene Flächen etwa an der Buchholzer Mühle oder an der Kiesschachtstraße zur Verfügung. Die Buschmann & Winkelmann GmbH des Spargelhofes Klaistow bringt unter anderem Flächen an der Kiezstraße in Richtung Buchholzer Bahnhof oder an der Straße nach Salzbrunn ein. Die neuen wilden Wiesen, wo schon die ersten Triebe herausragen und auf denen Pflanzenschutzmitteln tabu sind, tragen Namen wie „Blühende Landschaft Ost“ oder „Brandenburger Bienenweide“. Allein die zwei Landwirtschaftsbetriebe stellten zwölf Hektar bereit. „Wir wollen schon unseren Beitrag leisten, dass die Artenvielfalt erhalten bleibt, sofern wir es uns leisten können. Es ist auch unsere Natur, wir wollen hier glücklich alt werden“, sagt Landwirt Jürgen Frenzel, Geschäftsführer der Wittbrietzener Agrar KG. Kerstin Pahl berichtet von 20 Privatleuten, die auf ihren Flächen oder in Gärten ebenfalls kleine Oasen anlegen wollen. Etwa fünf Hektar kämen so noch dazu. Alle, die mitmachen, sollen ein Schild für ihre Blühflächen bekommen, auf dem steht: „Wir tun etwas für Bienen und Schmetterlinge“.

Der Verein will auch durch Öffentlichkeitsarbeit für die Notlage der Insekten sensibilisieren. „Man muss nicht überall englischen Rasen haben“, sagt Stefan Hoy von der Buschmann & Winkelmann GmbH. Dass noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten ist, zeigt dieses Beispiel. Hoys Betrieb hatte an der Beelitzer Bockwindmühle einen Blühstreifen angelegt und ließ ihn über den Winter naturbelassen stehen. Was folgte, waren Beschwerden: „Wann bringt ihr das in Ordnung?“ Kurzrasierte Rasen sind grüne Wüsten für Insekten, sagt Landwirt Frenzel. Der Natur auf der einen oder anderen Fläche einfach mal ihren Lauf zu lassen, bringe einiges, sagt Kerstin Pahl. Was? „Größere Vielfalt und Lebensraum für Insekten.“ Und den Leuten an den Rasenmähern mehr Freizeit und weniger Arbeit.

Blühwiesen als Ausflugsziel

Der Verein „Blühstreifen Beelitz“ sucht weitere Mitstreiter und Spender, um das Ziel zu verfolgen, blühende Wiesen mit Wildpflanzen auf ausreichend großer Fläche als Nahrungsgrundlage für nektarsaugende Insekten zu etablieren.

Dort wachsen etwa Kornblume, Klatschmohn und Wiesensalbei oder Spätblüher wie Königskerze und Reinfarn.

Die wilden Wiesen sollen auch Ausflugsziel werden, sagt Mitinitiator Lutz Pahl.

Geplant sind Exkursionen dorthin, die erste am 25. Juni in Buchholz. Treffpunkt ist 14 Uhr , am Bahnhof Buchholz.

Das Land Sachsen fördert Landwirte mit 600 Euro je Hektar, wenn sie Blühwiesen anlegen. Im Land Brandenburg gibt es dafür keine Förderung.

Mehr Informationen unter www.bluehstreifen-beelitz.de

Von Jens Steglich

Link zum Originalartikel: http://t.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Wilde-Wiesen-im-Spargelland

(Mit freundlicher Genehmigung von Jens Steglich und Märkische Allgemeine Zeitung MAZ)